+++ ACHTUNG: CARDILINE-BETRUG! +++

Mai 15th, 2020

Aus aktuellem Anlass müssen wir darauf hinweisen, das ein angebliches Heilmittel/Medikament gegen Bluthochdruck („Cardiline“) mit angeblichen Aussagen von Dr. Bartels wirbt.

Dazu stellt Dr. Bartels klar:

Die Behauptungen, geschrieben unter der Überschrift „Meinung des  Facharztes“ und mit der Bildunterschrift  „Dr. Ralf Bartels Kardiologe“,  stammen weder von mir noch wurde dieser Text jemals von mir autorisiert. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt irgendwelchen Kontakt ( telefonisch, schriftlich,  E-Mail oder persönlich ) zu den Betreibern der Homepage oder den Herstellern und Vertreibern dieses „Medikamentes“.

Die im Text  gemachten Heilsversprechen und Behauptungen sind darüber hinaus inhaltlich falsch und gefährlich.

Von der Bestellung oder gar Einnahme von Cardiline rate ich ausdrücklich ab.

Im übrigen habe ich  rechtliche Schritte bereits eingeleitet.

Ralf Bartels

Herzüberwachung mit dem Smartphone oder der Apple Watch – wer braucht so etwas ?

April 22nd, 2020

Vor 20 Jahren  verbreiteten sich Pulsuhren für Freizeitsportler. Es verging keine Woche, in der nicht ein-e verunsicherte-r Sportler-in unsere Praxis aufsuchte, weil  die Uhr nicht plausible Pulswerte anzeigte.

Nur selten fanden wir eine organische Ursache, meistens waren es Fehlmessungen (Kinderkrankheit: beim Laufen in der Gruppe wird das  Funksignal eines Mitläufers angezeigt, dann aber auch „Hausnummern“ weil das Signal vom Brustgurt verwackelt war etc. ).

Als der Autor vor 5 Jahren eine Apple Watch geschenkt bekam und  (als Kardiologe mit einem Ruhepuls um 50/min)  gespannt die Pulsaufzeichnung der ersten 24 Stunden ansah, zeigte diese stundenlanges nächtliches Herzrasen um 165/min an. Damit sollte man direkt zum Arzt gehen – wenn es wahr wäre, es waren Fehlmessungen.

Seitdem ist viel passiert. Kein größerer kardiologischer Kongress, auf dem nicht mit eigenen Vorträgen über die neuen Chancen der Digital Health und hier eben auch der Health Wearables ( „tragbare Sensorik“, health wearable klingt einfach besser 😉 ) gesprochen wird.

Die renommierte Heart Rhythm Society hat Anfang des Jahres auf der weltgrößten Messe für Unterhaltungselektronik ein Positionspapier über dieses Thema vorgestellt.

Das Thema ist für die Hersteller spannend und lukrativ: Trackingbänder, Smartwatches, Smartglasses, Smart- ..shoes,-clothing, -jewelry… . Messung von Schlaf, Sauerstoffsättigung, Hirnströmen, Atmung, aber eben auch mobiles EKG und Blutdruck.

Die mobile EKG-Messung  ist in Deutschland vor ca. 4 Jahren angekommen: bezahlbare Geräte können in einer bisher nicht erreichten Qualität ein 1-Kanal-EKG aufzeichnen. Beispiele sind der AliveCor , das mobile EKG Gerät von beurer und die Apple Watch Series 5.

Was können diese Geräte und für wen sind sie nützlich?

Die Geräte sind so klein, das man sie immer bei sich führen kann. Sie können ein qualitativ hochwertiges 1-Kanal-EKG aufzeichnen und speichern, jederzeit, beliebig oft. Das 1-Kanal-EKG ist viel mehr als eine einfache Pulskontrolle:

Es erlaubt, Herzrhythmusstörungen  zu dokumentieren. Die treten oft nur kurz auf, dann wieder lange Zeit nicht. Die vom Betroffenen bemerkten Unregelmäßigkeiten des Pulses lassen nur Vermutungen,  aber keine sichere Zuordnung zu. Die bisherige Rhythmusdiagnostik  mit EKG und Langzeit -EKG ( zum Beispiel für 24 oder 72 Stunden ) kommt aufgrund der zum Teil langen Phasen ohne Rhythmusstörung hier immer wieder an ihre Grenzen.

So eröffnen die neuen technischen Möglichkeiten eine wesentlich weitreichendere Kontrolle für Menschen mit vermuteten Herzrhythmusstörungen. Erste Studien haben insbesondere die Genauigkeit bestätigt  (Lead-I ECG for detecting atrial fibrillation… , The Apple Watch Heart study und Screening for Atrial Fibrillation in Native Americans Using Smartphone-Based ECG; Positionspapier: Rhythmusexperten loben Wearables)

In der praxis westend empfehlen wir  deshalb seit ungefähr 2 Jahren entsprechende Geräte als sinnvolle Ergänzung der etablierten Diagnostik im Rahmen der Abklärung von Herzrhythmusstörungen und paroxysmalen Vorhofflimmern.  Die Kosten werden momentan nicht von der Krankenkasse übernommen.


Fotos © Apple 

Ambitionierte neue Grenzwerte für Cholesterin – je niedriger desto besser oder alles nur Pharmalobbyismus?

März 5th, 2020

Zwei große medizinische Fachgesellschaften, die European Society of Cardiology und die European Athersosclerosis Society, haben vor einem halben Jahr die Behandlungsempfehlungen für Cholesterin und Blutfette aktualisiert.

Die veröffentlichte Leitlinie zur Definition der Kriterien für eine medikamentöse Cholesterinsenkung hat die bis dahin geltenden Zielwerte nach unten korrigiert.

Eine Leitlinie fasst das aktuelle medizinische Wissen zusammen. International anerkannte Experten beurteilen insbesondere den Nutzen von Behandlungen und wägen diesen mit möglichen Schäden ab. Auch die wissenschaftliche Qualität der neuen Studienergebnisse wird dabei intensiv erörtert und bewertet.

Wer genau soll wie intensiv behandelt werden – und wer nicht? Die Leitlinie gibt konkrete Empfehlungen zum Vorgehen. Nicht wie ein Gesetz, aber eben als Expertenmeinung mit genauer Darlegung der Hintergründe der Empfehlung.

Aufgrund zahlreicher neuerer – die letzte Leitlinie stammt von 2016 – wissenschaftlicher Daten, die einen größeren Nutzen für die Absenkung des kardiovaskulären Risikos mit einer intensiveren medikamentösen Absenkung von LDL-Cholesterin zeigten, wurden für bestimmte Menschen niedrigere Zielwerte für LDL-Cholesterin empfohlen.

Außerdem wird die Bedeutung von Lipoprotein (a) als kardiovaskulärer Risikofaktor betont.

Weiter wird die einfach und schonend durchzuführende Ultraschalluntersuchung der Hals- und Beinarterien als wichtige Untersuchung zur Beurteilung des individuellen Herzinfarktrisikos empfohlen.

Der große Nutzen einer Absenkung des LDL- Cholesterins mit Statinen — Halbierung des kardiovaskulären Risikos (tödlicher und nicht-tödlicher Myokardinfarkt, Schlaganfall, koronare Revaskularisation) unabhängig von der Höhe des Ausgangsrisikos bzw. ca. 25%ige Absenkung pro 40 mg/dl Reduktion des LDLCholesterins— ist schon seit vielen Jahren bekannt und wird von Fachleuten nicht infrage gestellt.

Es besteht Einigkeit, dass wenige (wenn überhaupt!) chronische Krankheiten einer derart intensiven Untersuchung unterzogen wurden; selten wurden die Ursache und der Ansatz zur Prävention so überzeugend dokumentiert.

Idealerweise sollte eine LDL-senkende Therapie eingeleitet werden, bevor sich atherosklerotische Plaques entwickeln oder zumindest bevor sie ihre bedrohlichsten Merkmale entwickeln.

Genau hier verläuft für Experten die Grenze, die eben immer wieder neu justiert wird: wer profitiert „unterm Strich“ – Nettonutzen? Wie viele Menschen müssen für wie lange Zeit behandelt werden, um ein Ereignis (tödlicher und nicht-tödlicher Myokardinfarkt, Schlaganfall, koronare Revaskularisation) zu verhindern? Was kostet das eigentlich? Wie sicher ist das?

Insbesondere drei neuere Untersuchungen weisen für bestimmte Menschen einen noch größeren Nutzen (Verhinderung von Herzinfarkt oder neuerlichem Herzinfarkt) durch eine noch stärkere medikamentöse Absenkung des LDL-Cholesterin nach:

 

Aufgrund des bereits bekannten und der neuen Ergebnisse dieser großen Untersuchungen empfehlen die Autoren:

  • für Menschen mit einem besonders hohen kardiovaskulären Risiko, den LDL-Cholesterinwert auf unter 55 mg/dl abzusenken
  • für Menschen mit einem extremen Risiko auf unter 40 mg/dl
  • für Menschen mit einem hohen Risiko auf unter 70 mg/dl

Ein extremes Risiko haben beispielsweise Menschen, die trotz maximaler Statindosis in 2 Jahren mehr als 2 Herzinfarkte haben. Ein sehr hohes / besonders hohes Risiko liegt unter anderem bei bekannten Plaques in den Herzkranzgefäßen und/oder sonographischem Nachweis von Atherosklerose / Plaques in der Halsschlagader vor.

 

Die neuen Empfehlungen werden von Experten kontrovers kommentiert.

So schreibt die renommierte DGFF (Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen(Lipid-Liga) e.V.):

„….wie wichtig es ist, die LDL-C-Konzentration bei kardiovaskulären Risiken oder Ereignissen deutlich abzusenken. Die lipidsenkende Therapie soll möglichst früh und konsequent eingesetzt werden….“

Der ebenfalls sehr renommierte Arzneimittelbrief kommt zu einer anderen Einschätzung:

„…Die Zielvorgabe „as low as possible“ scheint aber nicht nur für das LDL-Cholesterin, sondern auch für das Evidenzniveau der Leitlinie zu gelten, denn diese ist in vielen formalen Punkten kritikwürdig, sodass sie nach unserer Einschätzung allenfalls als interessengeleitetes Positionspapier einer industrienahen Fachgesellschaft bezeichnet werden kann….“

Kritikpunkt ist vor allem die „handwerklich“ fehlerhafte Durchführung der Leitlinie: nicht den Vorschriften für die Erstellung einer solchen Leitlinie entsprechende Auswahl und Besetzung mit Experten, kein transparenter Bericht der Erstellung der Leitlinie und fehlende Beweisführung der Nutzen-Risiko-Relation.

Hierzu ist anzumerken, dass die neu empfohlenen niedrigen Werte oft nur unter der Behandlung mit neuen, sehr teuren Medikamenten ( PCSK9-Hemmer ) zu erreichen sind.

 

Für die Kardiologen der Praxis Westend gilt:

Für viele Menschen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko stellt die medikamentöse Absenkung des LDL-Cholesterins eine etablierte und sichere Behandlung dar. Hier haben die exzellent untersuchten Statine eine herausragende Bedeutung. Sie sind sehr sicher in der Anwendung und der Nutzen ist bei richtiger Indikation sehr groß. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen klar, dass für jeden Menschen das individuelle kardiovaskuläre Risiko (Infarktrisiko Rechner) bestimmt werden muss und entsprechend dem Ergebnis eine Behandlungsempfehlung zu erfolgen hat. Wie von uns schon seit vielen Jahren praktiziert, hat in der Vorsorge die ultraschallbasierte Gefäßuntersuchung eine große Bedeutung.

Das Potential der Statine ist bei vielen Menschen nicht ausreichend genutzt. Die Ursachen hierfür dürften vor allem durch Unkenntnis über den Nutzen und die Risiken der Einnahme von Statinen zu begründen sein.

Cholesterinsenker und Statine: Atorvastatin, Pravastatin, Rosuvastatin, Simvastatin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die bekannten Daten unterstützen die Hypothese, das für viele Menschen ein früherer Einsatz wünschenswert wäre, ebenso wie die Hypothese, das der Nutzen der Behandlung unter niedrigeren Werten größer ist – bei guter Sicherheit.

Die Kritik des Arzneimittelbriefs an der neuen Leitlinie ist aber grundsätzlich berechtigt. Eine, den Anforderungen einer entsprechenden Leitlinie gerecht werdende Publikation ist wünschenswert. Auf Basis einer individuellen Risikobeurteilung kann der Einsatz von PCSK9 Hemmern indiziert sein und dann einen zusätzlichen Nutzen erreichen. (fachkreise.amgen.de/downloads/f/1/456/repatha-140-mg-fertigpen-420-mg-patrone_201911.pdf)

 

Illustration

roger ashford / Shutterstock