Ambitionierte neue Grenzwerte für Cholesterin – je niedriger desto besser oder alles nur Pharmalobbyismus?

März 5th, 2020

Zwei große medizinische Fachgesellschaften, die European Society of Cardiology und die European Athersosclerosis Society, haben vor einem halben Jahr die Behandlungsempfehlungen für Cholesterin und Blutfette aktualisiert.

Die veröffentlichte Leitlinie zur Definition der Kriterien für eine medikamentöse Cholesterinsenkung hat die bis dahin geltenden Zielwerte nach unten korrigiert.

Eine Leitlinie fasst das aktuelle medizinische Wissen zusammen. International anerkannte Experten beurteilen insbesondere den Nutzen von Behandlungen und wägen diesen mit möglichen Schäden ab. Auch die wissenschaftliche Qualität der neuen Studienergebnisse wird dabei intensiv erörtert und bewertet.

Wer genau soll wie intensiv behandelt werden – und wer nicht? Die Leitlinie gibt konkrete Empfehlungen zum Vorgehen. Nicht wie ein Gesetz, aber eben als Expertenmeinung mit genauer Darlegung der Hintergründe der Empfehlung.

Aufgrund zahlreicher neuerer – die letzte Leitlinie stammt von 2016 – wissenschaftlicher Daten, die einen größeren Nutzen für die Absenkung des kardiovaskulären Risikos mit einer intensiveren medikamentösen Absenkung von LDL-Cholesterin zeigten, wurden für bestimmte Menschen niedrigere Zielwerte für LDL-Cholesterin empfohlen.

Außerdem wird die Bedeutung von Lipoprotein (a) als kardiovaskulärer Risikofaktor betont.

Weiter wird die einfach und schonend durchzuführende Ultraschalluntersuchung der Hals- und Beinarterien als wichtige Untersuchung zur Beurteilung des individuellen Herzinfarktrisikos empfohlen.

Der große Nutzen einer Absenkung des LDL- Cholesterins mit Statinen — Halbierung des kardiovaskulären Risikos (tödlicher und nicht-tödlicher Myokardinfarkt, Schlaganfall, koronare Revaskularisation) unabhängig von der Höhe des Ausgangsrisikos bzw. ca. 25%ige Absenkung pro 40 mg/dl Reduktion des LDLCholesterins— ist schon seit vielen Jahren bekannt und wird von Fachleuten nicht infrage gestellt.

Es besteht Einigkeit, dass wenige (wenn überhaupt!) chronische Krankheiten einer derart intensiven Untersuchung unterzogen wurden; selten wurden die Ursache und der Ansatz zur Prävention so überzeugend dokumentiert.

Idealerweise sollte eine LDL-senkende Therapie eingeleitet werden, bevor sich atherosklerotische Plaques entwickeln oder zumindest bevor sie ihre bedrohlichsten Merkmale entwickeln.

Genau hier verläuft für Experten die Grenze, die eben immer wieder neu justiert wird: wer profitiert „unterm Strich“ – Nettonutzen? Wie viele Menschen müssen für wie lange Zeit behandelt werden, um ein Ereignis (tödlicher und nicht-tödlicher Myokardinfarkt, Schlaganfall, koronare Revaskularisation) zu verhindern? Was kostet das eigentlich? Wie sicher ist das?

Insbesondere drei neuere Untersuchungen weisen für bestimmte Menschen einen noch größeren Nutzen (Verhinderung von Herzinfarkt oder neuerlichem Herzinfarkt) durch eine noch stärkere medikamentöse Absenkung des LDL-Cholesterin nach:

 

Aufgrund des bereits bekannten und der neuen Ergebnisse dieser großen Untersuchungen empfehlen die Autoren:

  • für Menschen mit einem besonders hohen kardiovaskulären Risiko, den LDL-Cholesterinwert auf unter 55 mg/dl abzusenken
  • für Menschen mit einem extremen Risiko auf unter 40 mg/dl
  • für Menschen mit einem hohen Risiko auf unter 70 mg/dl

Ein extremes Risiko haben beispielsweise Menschen, die trotz maximaler Statindosis in 2 Jahren mehr als 2 Herzinfarkte haben. Ein sehr hohes / besonders hohes Risiko liegt unter anderem bei bekannten Plaques in den Herzkranzgefäßen und/oder sonographischem Nachweis von Atherosklerose / Plaques in der Halsschlagader vor.

 

Die neuen Empfehlungen werden von Experten kontrovers kommentiert.

So schreibt die renommierte DGFF (Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen(Lipid-Liga) e.V.):

„….wie wichtig es ist, die LDL-C-Konzentration bei kardiovaskulären Risiken oder Ereignissen deutlich abzusenken. Die lipidsenkende Therapie soll möglichst früh und konsequent eingesetzt werden….“

Der ebenfalls sehr renommierte Arzneimittelbrief kommt zu einer anderen Einschätzung:

„…Die Zielvorgabe „as low as possible“ scheint aber nicht nur für das LDL-Cholesterin, sondern auch für das Evidenzniveau der Leitlinie zu gelten, denn diese ist in vielen formalen Punkten kritikwürdig, sodass sie nach unserer Einschätzung allenfalls als interessengeleitetes Positionspapier einer industrienahen Fachgesellschaft bezeichnet werden kann….“

Kritikpunkt ist vor allem die „handwerklich“ fehlerhafte Durchführung der Leitlinie: nicht den Vorschriften für die Erstellung einer solchen Leitlinie entsprechende Auswahl und Besetzung mit Experten, kein transparenter Bericht der Erstellung der Leitlinie und fehlende Beweisführung der Nutzen-Risiko-Relation.

Hierzu ist anzumerken, dass die neu empfohlenen niedrigen Werte oft nur unter der Behandlung mit neuen, sehr teuren Medikamenten ( PCSK9-Hemmer ) zu erreichen sind.

 

Für die Kardiologen der Praxis Westend gilt:

Für viele Menschen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko stellt die medikamentöse Absenkung des LDL-Cholesterins eine etablierte und sichere Behandlung dar. Hier haben die exzellent untersuchten Statine eine herausragende Bedeutung. Sie sind sehr sicher in der Anwendung und der Nutzen ist bei richtiger Indikation sehr groß. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen klar, dass für jeden Menschen das individuelle kardiovaskuläre Risiko (Infarktrisiko Rechner) bestimmt werden muss und entsprechend dem Ergebnis eine Behandlungsempfehlung zu erfolgen hat. Wie von uns schon seit vielen Jahren praktiziert, hat in der Vorsorge die ultraschallbasierte Gefäßuntersuchung eine große Bedeutung.

Das Potential der Statine ist bei vielen Menschen nicht ausreichend genutzt. Die Ursachen hierfür dürften vor allem durch Unkenntnis über den Nutzen und die Risiken der Einnahme von Statinen zu begründen sein.

Cholesterinsenker und Statine: Atorvastatin, Pravastatin, Rosuvastatin, Simvastatin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die bekannten Daten unterstützen die Hypothese, das für viele Menschen ein früherer Einsatz wünschenswert wäre, ebenso wie die Hypothese, das der Nutzen der Behandlung unter niedrigeren Werten größer ist – bei guter Sicherheit.

Die Kritik des Arzneimittelbriefs an der neuen Leitlinie ist aber grundsätzlich berechtigt. Eine, den Anforderungen einer entsprechenden Leitlinie gerecht werdende Publikation ist wünschenswert. Auf Basis einer individuellen Risikobeurteilung kann der Einsatz von PCSK9 Hemmern indiziert sein und dann einen zusätzlichen Nutzen erreichen. (fachkreise.amgen.de/downloads/f/1/456/repatha-140-mg-fertigpen-420-mg-patrone_201911.pdf)

 

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Dr. Fries aus der praxis westend ausgeschieden

Januar 3rd, 2019

In der Praxis Westend ist eine Ära zu Ende gegangen:

20 Jahre war Dr. Fries in der Praxis Westend als einer der ärztlichen Leiter tätig. Zum 1.1.2019 ist er aus der Praxis ausgeschieden.

Dr. Peter Fries

Zu seinen großen Verdiensten zählen die Begründung der kardiologischen Ausrichtung der damaligen Praxisgemeinschaft 1998 sowie die Mitbegründung der Praxis Westend am  hiesigen Standort.

Während seiner 20-jährigen kardiologischen Tätigkeit hat sich die Praxis kontinuierlich sowohl inhaltlich als auch personell weiter entwickelt.

So sind inzwischen 5 Fachärzte/innen für Kardiologie und 2 Fachärztinnen für Innere Medizin in der Praxis Westend tätig.

Neben einer großen kassenärztlichen Praxis nimmt auch die Privatpraxis einen bedeutenden Raum ein. Die Praxis bietet neben versierten kardiologischen Untersuchungen insbesondere einen Schwerpunkt für Herzschrittmacher, für Herzkatheter sowie für die kardiale Magnetresonanztomographie.

Dies alles wäre ohne Dr. Fries nicht möglich gewesen. Er hat über 20 Jahre die Praxis mit großem Engagement in der Versorgung der Patienten, mit viel kardiologischer Fachkenntnis und mit einem Fokus in der kontinuierlichen technischen Weiterentwicklung nachhaltig geprägt und gestärkt. So genießt die Praxis Westend sowohl bei den  Patienten als auch bei den kooperierenden Ärzten und Kliniken einen ausgezeichneten Ruf.

Das gesamte Team der Praxis Westend bedauert die Verabschiedung.

Für Kontinuität ist aber gesorgt und die langjährigen Kollegen von Dr. Fries haben seine Aufgaben übernommen.

140/90 mmHg bleibt der Schwellenwert für behandlungsbedürftigen Bluthochdruck

September 19th, 2018

Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat auf ihrem diesjährigen Kongress in München neue Leitlinien für die Behandlung von Bluthochdruck vorgestellt. Solche Leitlinien sind wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für eine angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen und stellen den aktuellen Konsens der Experten dar.

Als Behandlungsziel einer Therapie bei Bluthochdruck (Hypertonie) gilt wie bisher grundsätzlich eine Senkung auf unter 140/90 mmHg. Damit ist der beim Arzt gemessene Blutdruck gemeint, der für gewöhnlich etwas höher als bei der Messung zu Hause liegt.
Dieser Schwellenwert entsprich einem Blutdruck >= 130/80 mmHg bei einer 24h Langzeitmessung oder einem in heimischer Umgebung gemessenen Mittelwert von >= 135/85 mmHg.

Bluthochdruck Hypertonie Schwellenwert 140/90 mmHg Kardiologen Berlin

Klassifizierung des beim Arzt gemessenen Blutdrucks und Definitionen des Bluthochdruck-Grades:

Kategorie Systolisch (mmHg)   Diastolisch (mmHg)
Optimal <120 und <80
Normal 120–129 und/oder 80–84
Hoch normal 130–139 und/oder 85–89
Grad-1-Hypertonie 140–159 und/oder 90–99
Grad-2-Hypertonie 160–179 und/oder 100–109
Grad-3-Hypertonie ≥180 und/oder ≥110
Isolierte systolische Hypertonie ≥140 und <90

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